Was wird aus uns? Wie sollen wir überleben? Woher nehmen wir die nächste Mahlzeit?
Aus allen Ecken ihrer Umgebung hörten Ibtasan, Arshi und Farzana diese sorgenerfüllten Fragen, als die indische Regierung Ende März für das ganze Land den „Shutdown“ verkündete, um die Corona-Ausbreitung zu bekämpfen. Die drei Studentinnen aus Kolkata (früher Kalkutta) machten sich sofort einen Plan, wie sie helfen könnten. Besonders den Obdachlosen, arbeitslos gewordenen Tagelöhnern und Witwen wollten sie schnell helfen, weil diese nicht das Geld haben, sich Essensvorräte zu kaufen. Es war angesichts der Ausgangssperren, geschlossener Geschäfte und Versammlungsverbote alles andere als leicht, den Plan umzusetzen, aber sie fanden Wege und wurden mit ihrer kleinen, lokalen Organisation über Wochen zu Mutmacherinnen, wenn nicht sogar zu Retterinnen. Dies freut uns umso mehr, weil die jungen Frauen sagen: „World Vision hat uns dazu inspiriert.“
Ibtasan, Arshi und Farzana waren 11 Jahre alt, als sie in einem Patenschaftsprogramm einem Kinderklub von World Vision Indien beitraten. Im Kinderklub wurden sie für Themen wie Kinderrechte, Bildung und Hygiene sensibilisiert und erwarben durch Programme wie Life Skill Education for Transformation (LSET) wesentliche Lebenskompetenzen. Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, verfolgen sie ihre beruflichen Ziele. „Wir haben uns für ein Studium der Sozialarbeit entschieden, weil wir die Arbeit von World Vision sahen und uns davon inspirieren ließen, einen positiven Beitrag in unserer Gemeinde zu leisten“, sagt Ibtasan. 2016 gründeten sie mit ihren Ersparnissen eine Stiftung, die Anughrah Peace Foundation. Ziel dieser Stiftung ist es, benachteiligte Kinder zu unterstützen und zu stärken.
Die Stiftung kooperiert mit dem Play for Peace-Programm von World Vision Indien - ein Programm, das Kinder befähigt, unter Gleichaltrigen und in ihren Gemeinden zu Akteuren des Wandels, der Heilung und des Friedens zu werden. Ibtasan, Arshi und Farzana haben schon in 30 Projektregionen von World Vision Indien in mehr als 10 Bundesstaaten Kinder geschult.
Veränderte Einstellungen zu Mädchen halfen den Gründerinnen etwas zu verändern
„Als wir aufwuchsen, war es in unserer konservativen Umgebung noch undenkbar, dass eine Organisation von Mädchen geführt wird“, erzählt Ibtasan. Ihre beiden Freundinnen und sie seien unter den ersten gewesen, die überhaupt das College besuchen konnten. Ibtasan glaubt, dass die langjährige Arbeit von World Vision ganz wesentlich dazu beigetragen hat, die Einstellungen der Familien gegenüber Mädchen zu verändern. „Jetzt unterstützen alle, was wir machen“, sagt sie.
Alle sagen uns, wir sollen Zuhause bleiben, aber Zuhause können wir nichts verdienen, und wovon sollen wir dann leben?
Der Ausbruch der Corona-Krise machte es den Studentinnen unmöglich umherzureisen - und das ist weiterhin so. Auf die Not in der Nachbarschaft reagierten sie aber umso entschiedener. Während sie mit ihrem Kernteam engagierter Mitstreiter und Mitstreiterinnen, die Verteilung gekochter Mahlzeiten planten, stellte sich heraus, dass viel mehr Menschen dringend Hilfe brauchten, als sie gedacht hätten. Doch sie konnten keine große „Suppenküche“ oder eine zentrale „Tafel“ anbieten und richteten deshalb mehrere Stationen ein, in denen in kleinen Gruppen mit Abstand gekocht und portionierte Mahlzeiten an jeweils bis zu 250 Menschen ausgegeben wurden. Sie mussten sich dafür mit der Polizei abstimmen und nutzten für den Transport oft ihre Fahrräder.
Als ihr Stadtteil als möglicher „Corona-Hotspot“ eine Zeitlang abgeriegelt wurde, nahmen die Herausforderungen zu. Lebensmittel konnten zum Beispiel nur noch in wenigen Geschäften und zu festgelegten Zeiten besorgt werden. Dennoch schafften sie es sogar, 50 notleidende Familien zusätzlich mit haltbaren Lebensmitteln wie Reis, Linsen und Kartoffeln sowie mit Seife zu versorgen. Die 45-jährige Mariam war eine der dankbaren Abnehmerinnen. „Mein Mann hat seinen Job verloren“, erklärt sie ihre schwierige Lage. „Alle sagen uns, wir sollen Zuhause bleiben, aber Zuhause können wir nichts verdienen, und wovon sollen wir dann leben? Die Anughrah Peace Foundation kam jeden Tag zu uns und stellte Essen für meine Familie vor die Haustür. Wir sind ihnen so dankbar.“
World Vision schulte das Helfer-Team zu COVID-19 und legte auch die Verteilung weiterer gekochter Mahlzeiten in seine Hände, bis durch Lockerung der Beschränkungen auch größere Hilfsaktionen möglich wurden. Auch jetzt noch sind die drei Mutmacherinnen aber unermüdlich im Einsatz und beweisen, wie wichtig auch die Zusammenarbeit mit kleinen, lokalen Organisationen in so einer großen Krise ist.