Ihr Schicksal schien bestimmt
Vinita war erst 17 Jahre alt, als ihre Eltern beschlossen, sie zu verheiraten.
Sie hatte immer davon geträumt, das College in Lalitpur zu besuchen, 30 km von ihrem Dorf in Indien entfernt. Doch ihre Eltern teilten nicht den gleichen Traum. Vinitas Mutter konnte nie eine Schule besuchen und auch ihr Vater hat nur die 8. Klasse beendet. Sie haben früh geheiratet und ihr ganzes Leben auf den Reisfeldern gearbeitet, wie alle anderen aus ihrem Dorf. Ein anderes Leben konnten sich ihre Eltern gar nicht vorstellen.
Der Distriktbericht von 2015/16 zeigt, dass nur 52,3 Prozent Frauen in Lalitpur lesen und schreiben können, während 76,4 Prozent Männer alphabetisiert sind. Strukturelle Ausgrenzung und Benachteiligung der Frauen ist in ihrer Gemeinde weit verbreitet. Die Bildung von Mädchen wird nicht gefördert, weil es für gebildete Mädchen schwieriger ist, einen Mann zu finden.
Aber mit Vinita hatte das Schicksal etwas anderes vor: Anstatt zu heiraten, ging Vinita nach Lucknow und besuchte für zwei Jahre den Schwestern- und Hebammenkurs.
Als die Mitarbeiter von World Vision erfuhren, dass meine Eltern mich verheiraten wollten, redeten sie mit ihnen und schlugen vor, mir eine Ausbildung zur Krankenschwester zu ermöglichen.
Die Großstadt machte ihren Eltern aber große Angst und sie wollten Vinita nicht dort hinschicken. Sie waren nie außerhalb ihres Dorfes gewesen und die Möglichkeit, dass Vinita dort allein leben könnte, war für die Eltern unverständlich. Aber die Bedenken ihrer Eltern konnten durch die Mitarbeiter von World Vision zerstreut werden und sie stimmten zu. „Zuerst war etwas seltsam in der großen Stadt, weil ich aus dem Dorf komme. Dann fühlte ich mich aber langsam besser", erinnert sich Vinita.
Bevor Vinita nach Lucknow kam, war sie bereits 14 Jahre lang ein Patenkind. Aber diese zwei Jahre in Lucknow erwiesen sich als die besten Jahre ihrer Patenschaft. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung begann sie in einem Kinderkrankenhaus zu arbeiten.
Heute teilt sie sich ein Einzimmer-Appartement mit ihren zwei jüngeren Brüdern. Sie liest und kocht gerne, in ihrer Freizeit geht sie auch immer mal shoppen. Jetzt ist sie schon lange hier. Weit weg von dem Haus im Dorf, wo sie und ihre Eltern das Haus mit den Rindern teilen mussten.
Sie ermöglicht ihren zwei Brüdern, ebenfalls in der Stadt zu wohnen und eine weiterführende Schule zu besuchen. Einer von Vinitas Brüdern hat gerade das 11. Schuljahr beendet und der andere sein zweites Examen in Wirtschaftswissenschaften erfolgreich abgeschlossen. „Ich kümmere mich um sie und bezahle ihren Lebensunterhalt und die Schulgebühren,“ sagt Vinita stolz. Sie hat die Rolle ihres Vormunds übernommen. Eine große Verantwortung, die aber für Vinita nicht neu ist. Im Krankenhaus, in dem sie arbeitet, ist sie gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Manchmal sind es schwere Entscheidungen, die viel von ihr abverlangen, aber sie ist eine starke Frau, die immer eine Lösung für alles findet. Sie weiß, es gibt viele traurige Tage, aber es gibt auch bessere Tage.
"Mein glücklichster Arbeitstag war, als ein sehr schwaches Baby zu uns gebracht wurde und wir ihm helfen konnten. Es blutete aus der Nase und dem Mund. Seine Eltern dachten, es müsse sterben. Wir haben aber nicht aufgegeben und dem Baby geholfen. Heute ist es fünf Jahre alt. Und ich freue mich noch heute, wenn ich daran denke, was unsere Arbeit bewirkt hat.“ Vinita denkt häufig an ihr Dorf und ist dankbar für die Chancen, die ihr World Vision ermöglicht hat. Sie wollte schon immer den Menschen helfen und etwas Nützliches für andere tun. Vinita bekam die Gelegenheit dazu, als sie sie am wenigsten erwartete.
Heute bin ich Krankenschwester. World Vision hat mir sehr geholfen.
„Sie haben viel Geld für meine Ausbildung ausgegeben, dafür bin ich sehr dankbar.“ Wenn sie jetzt nach Hause in ihr Dorf kommt, fühlt sie sich anders als alle anderen. Alle Freunde aus ihrer Kindheit sind verheiratet.
Sie lacht laut und sagt: „Im Dorf ist das normal. Was können wir tun?“ Wenn sie im Dorf geblieben wäre, wäre sie heute auch schon längst verheiratet. Heute kommt sie ein- bis zweimal im Monat nach Hause, um ihre Eltern, die Großmutter und ihre Schwester zu besuchen. Sie ist bereits verheiratet und hat ein Kind. So hätte auch ihr Leben ausgesehen. Aber Vinita entkam diesem Schicksal und kann nicht anders, als sich deswegen glücklich und dankbar zu fühlen. Im Dorf müssen die Frauen das Gras für die Rinder mähen und auf dem Reisfeld arbeiten. Es gibt keine Erwerbsmöglichkeiten für gebildete Frauen. Sie war die Erste in ihrer Familie, die ein College besucht hat und sie musste sich seither viel erkämpfen und alte Traditionen überwinden.
In der Stadt gibt es viele junge Frauen, die eine Ausbildung machen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. World Vision bietet ihnen Weiterbildungsmöglichkeiten an. Sie können wie Vinita zur Krankenschwester ausgebildet werden, einen Bachelor in Naturwissenschaften oder in Wirtschaftswissenschaften machen. Diese Chance nutzen die jungen Frauen. Über 96 Prozent der Frauen, die mit Vinita ihre Ausbildung begonnen haben, sind jetzt in einer Festanstellung.
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