7 Jahre Krieg in Syrien: Kindheit unter Dauerbeschuss
Den gerade aus Ost-Ghouta geflüchteten Kindern sieht man es an: dass sie eine Hölle überlebt haben und nicht viel fehlte, um ihr Leben zu zerstören. Dass mehr als nur materielle Hilfe nötig sein wird, um aus ihnen wieder gesunde junge Menschen mit Hoffnung und Lebenskraft zu machen. Wir haben solche blassen, traurigen Gesichter oft gesehen in den letzten sieben Jahren - seit aus einem Protest in Syrien ein Krieg wurde.
„Wir haben es hier mit der größten Kinderschutzkrise unserer Zeit zu tun. Es gelingt nach wie vor nicht, das Leben, die Kindheit und die Zukunft der syrischen Kinder zu schützen“, sagt Wynn Flaten, Leiter der Syrienhilfe bei World Vision. Die Weltgemeinschaft könne sich aber immer noch dafür einsetzen, den überlebenden Kindern dabei zu helfen, ein neues Leben aufzubauen. „Sie sollten nicht nur überleben, sondern auch ein glückliches, gesundes und produktives Leben führen können“, so Flaten.
Um konkrete Ansatzpunkte für Hilfen vorschlagen zu können, haben Mitarbeiter von World Vision haben im Februar 2018 in Südsyrien, im Libanon und in Jordanien 1.254 syrische Kinder zwischen elf und 17 Jahren zu ihrem Alltag, ihren Belastungen und ihrem Zugang zu Hilfen befragt. Die Ergebnisse wurden jetzt in dem Bericht "Beyond Survival" veröffentlicht.
It's not enough to live. You have to be allowed to DREAM
In der Umfrage wurden sowohl die potentiell traumatisierenden Stressfaktoren wie Gewalterfahrungen, als auch soziale und materielle Nöte thematisiert. Es zeigte sich, dass die Situation der Kinder in den einzelnen Ländern durchaus markante Unterschiede aufweist. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie tiefgreifend der Konflikt das Lebensumfeld und die sozialen Strukturen der meisten betroffenen Kinder verändert hat: Sie mussten an fremde Orte ziehen, leben dort auf engem Raum oder unter unsicheren Bedingungen, besuchen ihnen unbekannte oder keine Schulen und sie vermissen Familienmitglieder oder Freunde.
In allen drei Ländern berichteten über die Hälfte der Kinder, keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten zu haben. Weit verbreitet in den drei Ländern ist auch die Wohnungsnot: über 70 Prozent der Kinder leben in beengten Wohnverhältnissen (mit drei oder mehr Personen pro Raum). Über Armut und die Notwendigkeit, selbst zum Lebensunterhalt der Familie beitragen zu müssen, berichten mehr Kinder im Libanon als in Syrien und in Jordanien. Im Libanon besuchen auch 63 Prozent Prozent der befragten Kinder keinen formalen Schulunterricht.
Über Gewalt in der Erziehung und im Elternhaus berichtete die Hälfte der Kinder in Syrien und 39 Prozent der Kinder im Libanon, dagegen nur 15 Prozent der Kinder in Jordanien. Kinder, die in sehr beengten Wohnverhältnissen leben, scheinen stärker von Gewalt betroffen zu sein als andere und sie klagten mehr über Lernprobleme.
„Gerade zu Hause sollten sich Kinder sicher fühlen“, sagt Flaten. „Aber stattdessen müssen Kinder nicht nur mit ihren eigenen Stresssituationen umgehen, sondern bekommen auch die Auswirkungen der angespannten familiären Situation zu spüren. Erschreckenderweise sehen viele Kinder solche Belastungen als einen normalen Aspekt ihres neuen Lebens an.“
Andererseits äußern alle Kinder den Wunsch nach Frieden, die Hoffnung auf eine Zusammenführung ihrer Familien und auf eine Rückkehr zu einem normalen Leben. Fast alle Kinder wollen auch eine weiterführende Schule besuchen. „Trotz allem, was Syriens Kinder jeden Tag erleben mussten und auch weiterhin müssen, sind sie eine Quelle der Hoffnung für die Zukunft des Landes. Aber es besteht das Risiko, dass sie sich nie vollständig von diesem Konflikt erholen werden. Wir sind an einem Punkt, an dem wir sofort handeln müssen, um das zu verhindern“, ergänzt Wynn Flaten.
Schlussfolgerung: Kinder besser schützen und Stressfaktoren reduzieren
Der Bericht schließt mit Empfehlungen für Geber und Regierungen sowie mit Praxis-Beispielen aus World Vision-Programmen. Regierungen werden zum Beispiel aufgefordert, gezielt Lücken der Versorgung mit sozialen Diensten zu schließen und mehr psychosoziale Hilfe anzubieten, die die mentale Gesundheit der Kinder und Familien stärkt. Auch in die Bildung der Kinder und in Prävention von Gewalt muss mehr investiert werden.
World Vision arbeitet auf lokaler Ebene unter anderem mit Schulen, Eltern-Gruppen und Religionsautoritäten zusammen, um sie zur Achtsamkeit für den bestmöglichen Schutz der Kinder und eine gewaltfreie Erziehung zu motivieren. Außerdem bieten „kinderfreundliche Räume“ bzw. Kinderzentren Lern-und Freizeitaktivitäten an, die gute soziale Beziehungen fördern. Weitere Programme unterstützen Vorschul-oder Förderunterricht.