Fußball statt Bomben: Omar wünscht sich ein Bein
Oberflächlich kehrt Leben zurück nach Mossul. Marktstände bieten frische Früchte an. Autos schlängeln sich durch den Verkehr. Am Straßenrand liegen Stapel neuer Backsteine und Holzbalken – Zeichen für den beginnenden Wiederaufbau der Stadt.
Unter der Oberfläche lauert aber noch die Zerstörung.
Omar ist elf Jahre alt und lebt mit seiner Familie im Osten der Stadt. Außer den dünnen Matratzen sind die Zimmer der Mietwohnung leer. In den Räumen ist es heiß und stickig.
Hathi, Omars Vater, sitzt auf dem Boden mit dem Rücken an der Wand. „Der IS hat uns zerstört. Unser ganzes Leben zerstört. Sie begannen Menschen zu töten. Die Lage verschlimmerte sich immer mehr. Am Ende aßen wir Mehl mit Wasser gemischt. Wir waren am Boden.“
„Als die Irakische Armee endlich kam, hatten wir noch 20 kg Mehl übrig – für zwei Familien, insgesamt zehn Personen. Das Leben war sehr schwer. Bomben fielen, Leichen lagen in den Straßen. Verzweifelte Schreie von Menschen, die versuchten aus Mossul zu fliehen und von IS Schergen dann getötet wurden. Manch einer wurde von den Verwandten verletzt zurückgelassen. Sie konnten sie nicht mehr tragen.“
Omar erinnert sich als die IS-Leute an seine Schule kamen. Seitdem hat sich sein Leben auf den Kopf gestellt.
„Der IS hat unseren Pausenhof für Bomben genutzt. Ich war in der dritten Klasse, als sie die Schule übernahmen. Ich bin nur den ersten Tag geblieben, danach wollte ich nicht mehr hin. „Sie erklärten den Schülern, wie man Bomben baut um Menschen zu töten. Auch wie man Waffen benutzt. Sie auseinanderbaut und wieder zusammensetzt.“
Hathi bereitete die Flucht der Familie aus der Stadt vor, als die Kämpfe zunahmen. Omar freute sich und packte gleich seine Sporttasche. Für Omar war klar: Bald spiele ich wieder Fußball.
Dann schlug die Bombe in das Haus ein.
„Es war zwölf Uhr mittags“ erinnert sich Hathi. „Ich suchte meine Kinder. Ich fand fünf getötete Kinder. Es waren die Kinder meines Cousins. Ich stand unter Schock. Die Kinder waren vor meinen Augen gestorben und ich konnte nichts tun um das zu verhindern. Wir vergruben sie im Hof, weil wir das Haus nicht verlassen konnten. Omars Bein war abgerissen, er verlor dabei eine Menge Blut und war schrecklich blass.“
Omars Geschwister, Ahmed und Nadar, wurden ebenfalls bei der Explosion verletzt. Ein Stück Schrapnell bohrte sich in Ahmeds Kopf und verletzte sein Gehirn irreparabel. Die vierjährige Nadar wurde am Bauch verletzt. Schrapnell riss ihr eine klaffende Wunde.
Seit nun mehr einem Monat leben sie in der Wohnung, die sie nicht bezahlen können. Der Strom wird ihnen bald abgestellt – sie haben ihre Ersparnisse komplett aufgebraucht. Als wir die Kinder ins Krankenhaus brachten, liehen wir uns Geld bei den Nachbarn um die Behandlung bezahlen zu können. Nun haben wir einen Haufen Schulden.
„Keine Arbeit – kein Geld – kein Essen!“ fasst Hathi ihre Situation zusammen.
„Die Kinder wollen unbedingt in die Schule, nur fehlt es uns an Geld für Kleidung und Schulmaterialien.“
Omar ist trotzdem voller Hoffnung. Er freut sich auf den Schulstart im September. Drei Jahre Unterricht hat er nun schon versäumt. Früher träumte er davon Fußball-Profi zu werden. Heute sind seine Träume anders.
„Ich wünsche mir ein Bein!“ Omars Mutter blickt ihn mit Tränen in den Augen an. Er lächelt sie an, als er ihren Blick erwidert. „Mit einem neuen Bein kann ich wieder Fußball spielen!“