2. World Vision Kinderstudie 2010

Anlass der Studie

Mit der 1. World Vision Kinderstudie hatte World Vision Deutschland 2007 erstmals eine repräsentative Studie in Auftrag gegeben, in deren Rahmen 8- bis 11-jährige Kinder über die Wahrnehmung ihrer Lebenswelten und ihres Wohlbefindens in Deutschland befragt wurden. Die Ergebnisse und die Beachtung, auf die die Studie in der Öffentlichkeit gestoßen ist, haben motiviert, nach drei Jahren eine weitere Studie in Auftrag zu geben und diese Studien in Zukunft fortzuführen. In der 2. World Vision Kinderstudie 2010, herausgegeben von World Vision Deutschland, hat sich das renommierte Team um Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Prof. Dr. Sabine Andresen und Ulrich Schneekloth (TNS Infratest Sozialforschung, München) nun erfolgreich der Herausforderung gestellt, das Befragungsalter der Kinder auf 6 Jahre herabzusetzen. Somit ist es gelungen, wissenschaftliche Erkenntnisse über das Wohlbefinden unserer Jüngsten zu erlangen und Rückschlüsse über die sozioökonomischen Einflüsse auf die Entwicklung der Kinder und deren Sicht auf ihre Lebenswelten zu ziehen. Die grafische Darstellung der Hauptergebnisse können Sie als pdf hier herunterladen.

Durchführung

Die 2. World Vision Kinderstudie wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Bielefeld und des Forschungsinstituts TNS Infratest Sozialforschung in München erstellt. Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School of Governance, Berlin) und Prof. Dr. Sabine Andresen (Universität Bielefeld) waren für die konzeptionelle Grundlegung und inhaltliche Ausrichtung der Studie verantwortlich. Bei TNS Infratest Sozialforschung lag die Verantwortung für methodisches Design, Durchführung der Befragung und Auswertung bei Ulrich Schneekloth. Die 2. World Vision Kinderstudie 2010 stützt sich auf eine repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 2529 Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren aus den alten und neuen Bundesländern. Die Kinder wurden von geschulten Infratest-Interviewern zu Hause persönlich-mündlich befragt. Zusätzlich wurde ein kurzer Elternfragebogen zum familiären Hintergrund erhoben. Die Befragung fand auf Grundlage eines standardisierten Erhebungsinstruments im Zeitraum von Mitte September bis Ende Oktober 2009 statt. Darüber hinaus wurden im Rahmen der qualitativen Vertiefungsstudie zwölf individuelle Fallstudien mit Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren durchgeführt und anschließend als Porträts präsentiert.

Ergebnisse

Mit dem Fokus auf das kindliche Wohlbefinden beleuchtet die Studie das familiäre Umfeld, Freizeit, Freundeskreis, Einstellungen zu Religion und Glaube und die Situation der Kinder in der Schule. Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass bereits so junge Kinder ihre Realität und Umwelt sehr klar sehen und daraus Perspektiven für ihre Zukunft ableiten können. Die große Mehrheit dieser Kinder ist mit ihren Lebensverhältnissen in Familie, Freizeit, Freundeskreis und Schule zufrieden und fühlt sich wohl. Aber es gibt auch einige Kinder, die für ihr Leben schon in sehr jungen Jahren keine Perspektive mehr sehen und sich in ihren Rechten beschnitten fühlen. Schon bei der Gruppe der interviewten Kinder kann eine Vier-Fünftel-Kindergesellschaft herausgelesen werden, wie sie auch auf Erwachsene in Deutschland zutrifft. Die Kinder aus dem benachteiligten unteren Fünftel sehen ihre Zukunft negativ und trauen sich keine erfolgreiche Schullaufbahn zu. Es fehlt ihnen an Rückhalt, an Anregungen und an gezielter Förderung. Es zeigt sich, dass vor allen Dingen Kinder aus prekären Lebensverhältnissen, insbesondere diejenigen mit eigener konkreter Armutserfahrung, sowie die Kinder, die sich nicht hinreichend betreut fühlen, im Alltag eine geringe Wertschätzung der eigenen Meinung erleben. Als ein Faktor von kindlichem Wohlbefinden lassen sich insgesamt 11 % der Mädchen und 12 % der Jungen durch eine sehr hohe Selbstwirksamkeitserwartung charakterisieren. Diese Kinder betrachten sich als selbständig und vertrauen auf ihre Fähigkeiten. Sehr hohe Selbstwirksamkeit bedeutet, dass diese Kinder kaum an sich zweifeln. Bei 37 % der Mädchen und bei 36 % der Jungen ist die Selbstwirksamkeitserwartung mittel und damit im Vergleich durchschnittlich ausgeprägt. 17 % der Mädchen und 16 % der Jungen weisen eine eher geringe Selbstwirksamkeitserwartung auf. Diese Gruppe fällt im Selbstvertrauen spürbar hinter die anderen Kinder zurück. Positive Selbstwirksamkeitserwartungen finden sich bei ihnen deutlich weniger häufig.

Fazit

Kinder wollen selber gestalten und auch eigene Wege gehen. Sie nehmen sensibel ihre Umwelt wahr und melden eigene Ansprüche an. Die große Mehrheit ist mit ihren Lebensverhältnissen in Familie, Freizeit, Freundeskreis und Schule zufrieden und fühlt sich wohl. Die Haltung gegenüber dem, was im Leben auf sie zukommt, ist erwartungsvoll und daher positiv. Bemerkenswert ist allerdings, wie nachhaltig bereits bei Kindern ab dem Grundschulalter die sozialen Unterschiede wirken und wie maßgeblich die Herkunft den eigenen Alltag prägt. Kinder haben je nach Schichtzugehörigkeit unterschiedliche Gestaltungsspielräume, die sich mitunter auf das Wohlbefinden und das Selbstwirksamkeitsbewusstsein auswirken. Im Kapitel „Politik für Kinder“ stellen die beteiligten Forscherinnen und Forscher sowie Autorinnen und Autoren fünf Herausforderungen auf, die das kindliche Wohlbefinden in den politischen Fokus rücken sollten.