Jedes Jahr sind mehrere Hundert Millionen Menschen durch Naturkatastrophen bedroht. Über die Hälfte dieser Naturkatastrophen sind bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar. Dürren kündigen sich durch das Ausbleiben von Regenfällen an, Überschwemmungen durch starken Regen und den Anstieg des Grundwasserspiegels. World Vision setzt auf den innovativen „Anticipatory Action“-Ansatz (auch Forecast-Based Action Ansatz genannt zu Deutsch: Vorausschauendes Handeln) in der Humanitären Hilfe. Dieser macht sich einer Kombination von Datenquellen zunutze, um datenbasierte Vorhersagen zu treffen und mit Hilfsleistungen zu beginnen, noch bevor es zur Katastrophe kommt. Das rettet Menschenleben, mindert Leid, reduziert den wirtschaftlichen Schaden und ist zudem kosteneffektiv.
Anticipatory Action als Antwort auf häufigere Katastrophen
Die Anzahl der Naturkatastrophen, die Menschenleben gefährden, wie Überflutungen, Dürren, Extremwetterphänomene, Erdrutsche etc., nehmen weltweit an Intensität und an Häufigkeit zu. Das ist größtenteils bedingt durch Folgen des Klimawandels. Die Schäden, die durch Naturkatastrophen verursacht werden, sind enorm. Und es trifft vor allem Menschen in Ländern, die ohnehin schon von Krisen und Konflikte gebeutelt werden. Rund 58 % der Todesfälle, die durch Naturkatastrophen verursacht werden, treten in den 30 fraglisten Ländern der Erde auf.
Herkömmliche Katastrophenhilfe, deren Gelder und Hilfen dann anrollen, wenn die Menschen schon alles verloren haben, es schon Tote und Verletzte zu beklagen gibt, greift zu kurz. Und genau hier kommt der Anticipatory Action-Ansatz ins Spiel.
Obwohl viele Studien bereits aufgezeigt haben, dass Katastrophenvorsorge kosteneffizienter und wirksamer ist, wird leider nicht genug Finanzierung dafür bereitgestellt. Würden mehr Mittel dafür eingesetzt, wären weniger Menschen den negativen Folgen von Naturkatastrophen ausgesetzt.
So funktioniert der Anticipatory Action-Ansatz
Wissenschaftliche Daten als Basis des Anticipatory-Action-Ansatzes
Der Anticipatory Action-Satz, auch als Forecast-Based Action-Ansatz genannt, hat zum Ziel, schon vor der Katastrophe mit Hilfsmaßnahmen einzusetzen, um die Folgen einer Katastrophe für die lokale Bevölkerung auf ein Minimum zu reduzieren. Um zum einen einschätzen zu können, welche Hilfsmaßnahmen in Falle einer Katastrophe an einem bestimmten Ort bestmöglich greifen und um Vorhersagen treffen zu können, wann sich eine Katastrophe anbahnt und ab wann Hilfsleistungen anrollen, braucht es gute, verlässliche Datenquellen. Zum Beispiel kommen historische Temperaturdaten zum Tragen, wenn es darum geht zu bestimmen, ab wann sich in einer Region eine Dürre anbahnt.
Helfen, noch bevor es zur Katastrophe kommt
Diese sogenannten „Trigger“ sind vorab definiert und den lokalen Gegebenheiten angepasst. Man kann es sich wie eine umfassende Checkliste vorstellen. Wenn eine bestimmte Anzahl an Haken gesetzt ist, greifen die Hilfsmaßnahmen. Als Trigger könnte in einer Gegend, die oft von Starkregen gefolgt von Erdrutschen bedroht ist, eine bestimmte Regenmenge, verbunden mit dem Messen des Grundwasserspiegels etc. sein. Sind diese Bedingungen erfüllt, dann wird zum Beispiel Bargeld ausgegeben, damit sich die Menschen mit ihrem Hab und Gut in Sicherheit bringen können. Oder es werden, um Saatgut zu schützen, wasserdichte Container verteilt.
Für all diese Hilfsmaßnahmen müssen ebenfalls im Vorfeld Finanzierungsstrukturen vereinbart sein, damit die Hilfe umgehend erfolgen kann. Was einigermaßen einfach klingt, stellt sich in der Realität sehr komplex dar: mittels Studien wird regional erfasst, welche Hilfe in welchem Katastrophenfall am effektivsten greift, Mitarbeitende müssen geschult, Trigger definiert, und erfasst, Budgets flexibel geplant werden und möglicherweise auch schon Güter wie Nothilfekits bereitgehalten und eingelagert werden
Der Anticipatory Action-Ansatz zeichnet sich durch drei Elemente aus:
- Die Hilfsmaßnahmen erfolgen bereits in Erwartung der Auswirkungen einer Katastrophe.
- Frühzeitige Maßnahmen zielen darauf ab, die Auswirkungen zu verhindern oder abzuschwächen.
- Die Maßnahmen werden durch eine datenbasierte Evaluation ausgelöst, die ein bestimmtes Ereignis vorhersagen.
Vorhersagebasiertes Handeln bei World Vision – ein Projektbeispiel
Finanziert von der Aktion Deutschland Hilft setzt World Vision ein Anticipatory Action-Projekt in Bangladesch, Indonesien, der Mongolei, Myanmar, auf den Philippinen und in Sri Lanka um.
All diese Länder sind besonders anfällig für Katastrophen. Der Asien-Pazifik-Raum wurde in den vergangenen 50 Jahren von Katastrophen heimgesucht, die 6,9 Milliarden Menschen beeinträchtigten und mehr als 2 Millionen Todesopfer gefordert haben (Quelle: UNESCAP).
Inhalt des Projekts ist es, gemeinsam mit den lokalen Akteuren sogenannte Aktionsprotokolle zu erstellen, die festhalten, welche Maßnahmen genau ergriffen werden, wenn die Trigger ausgelöst werden. Das beinhaltet zum Beispiel, Absprachen mit Lieferanten zu treffen, um Hilfsgüter vorzulagern oder mit der Bevölkerung Simulationen durchzuführen, um im Katastrophenfall zu wissen, was getan werden muss.
Antizipieren statt reagieren mit positiven Folgen
Durch den Anticipatory Action-Ansatz ist es möglich:
- den Bedarf nach der Katastrophe zu reduzieren, der ohne diesen Ansatz nach einer Katastrophe gedeckt werden müsste.
- Jeder Dollar, der in Anticipatory Action fließt, entspricht laut der Food und Agriculture Organization der Vereinten Nationen, bringt betroffenen Familien sieben Dollar an vermiedenen Verlusten.