04.06.2023

Großstadt am Meer kämpft gegen Plastikflut

Europäische Union und World Vision helfen Philippinen bei Müll-Reduzierung

Autor: IManner

Rund um den Globus wird am Welt-Umwelttag (5. Juni) in diesem Jahr dafür geworben, die Verschmutzung der Umwelt durch Plastik zu stoppen. Neben der Klimakrise und dem Artensterben ist die uns umgebende Plastikflut nach Ansicht des UN-Umweltprogramms und vieler Fachleute das größte Umweltproblem unserer Zeit. Denn ein großer Teil des produzierten Kunststoffs wird nur einmal verwendet - zum Beispiel als Getränkeflasche oder als Verpackung für Shampoo - und nur 10 Prozent des Plastikmülls wird bisher zu neuen Produkten verarbeitet. Weggeworfenes oder verbranntes Einwegplastik schadet der menschlichen Gesundheit und verschmutzt jedes Ökosystem von den Berggipfeln bis zum Meeresgrund.

Müllprojekt auf den Philippinen

Während über ein globales Abkommen zur Eindämmung der Plastik-Verschmutzung noch heftig diskutiert wird, brauchen manche Orte jetzt dringend Hilfe - besonders wachsende Städte in Ländern mit wenig entwickelter Abfallwirtschaft. Städte in der Nähe von großen Fluss-Systemen und in der Nähe des Meeres zählen zu den Brennpunkten. Auf die Stadt Cotabato im Süden der Philippinen trifft beides zu. Deshalb unterstützen die Europäische Union und World Vision die Stadt seit Februar 2023 gemeinsam mit einem Projekt darin, Lösungen für das Problem zu finden. Die Herausforderungen sind groß, aber es gibt auch ermutigendes lokales Engagement, wie der folgende Beitrag zeigt.

Umweltverschmutzung durch Plastikmüll in Wohngebieten von Cotabato City
Dilbert Wakat sammelt mit einer von World Vision gespendeten Rikscha verwertbare Materialien bei Haushalten ein, wo die Müllabfuhr nicht hinkommt.
In einer von 35 Recyclinganlagen sortiert Dilbert die Abfälle von Hand.

"Wenn die Leute nur den Wert des sogenannten Mülls sehen würden, würden sie wahrscheinlich zweimal nachdenken, bevor sie ihn achtlos wegwerfen", glaubt Dilbert Wakat, 53 Jahre alt. Der Regierungsangestellte versucht in Cotabato City das Recycling anzukurbeln. Er arbeitet in einer Materialrückgewinnungsanlage eines Stadtbezirks. 

Mit Fahrrad-Rikscha im Einsatz gegen Umweltverschmutzung

Wenn Dilbert in der Recyclinganlage gerade nichts zu tun hat, sammelt er selbst mit einer Rikscha, die World Vision zur Verfügung gestellt hat, wiederverwertbare Materialien wie Kartons und Kunststoffe von seinen Nachbarn und den umliegenden Gemeinden ein. Dies tut er seit zwei Jahren. Die gesammelten Wertstoffe verkauft Dilbert entweder an Trödelläden oder er sucht nach Möglichkeiten zur Wiederverwendung. Das Geld, das er von den Läden  erhält, wird in den Reccling-Fonds des Bezirks eingezahlt.  "Wir haben etwa 140.000 Php (ca. 2.500 Euro) durch den Kauf und Verkauf von wiederverwertbaren Materialien aus den Haushalten angespart", erzählt er stolz. Dilbert glaubt, dass sie dies ohne die Unterstützung von World Vision nicht geschafft hätten. Dilbert und seine Mitarbeiterin mussten die verwertbaren Abfälle vorher zu Fuß tragen. Auch konnten sie im Rahmen eines vorhergehenden Projekts von World Vision Familien einen kleinen finanziellen Anreiz zur Belieferung der Anlage bieten. "Seitdem machen wir das so", sagt er.

Zur Vermüllung der Umwelt mit Plastik trägt am meisten die Haltung der Menschen bei
Renato Salas, Experte für Abfallwirtschaft bei World Vision Philippinen
Regierungsangestellter zeigt Realitäten des Recycling auf den Philippinen
Dilbert Wakat nutzt und verkauft verwertbares Material in seiner Recyclinganlage.
Wiederverwendung von PLastikflaschen als Pflanzgefäße
Besser als wegwerfen: In Dilberts Biogarten haben Plastikflaschen und Essensreste einen Nutzen.

Cotabato City ist eine aufstrebende Stadt. Sie liegt 900 km südlich der philippinischen Hauptstadt Manila und bildet das regionale Zentrum der Autonomen Region Bangsamoro auf der Insel Mindanao. Gegenwärtig leben dort rund 320 000 Menschen und die Bevölkerung wächst - angezogen von Arbeitsmöglichkeiten und einem lebendigen Umfeld, in dem man sich leichter Wünsche erfüllen kann als auf dem Land. „In der Vergangenheit war das nicht so", erinnert sich Dilbert, 53, der 11 Jahre lang Grundschüler unterrichtete und dann eine besser bezahlte Arbeit in Saudi-Arabien suchte. Die Corona-Pandemie brachte ihn zurück nach Cotabato, wo er schließlich die Anstellung in der Recyclinganlage bekam.

Nebenwirkungen wirtschaftlicher Entwicklung 

"Jetzt gibt es mehr Menschen, Unternehmen und Möglichkeiten", erzählt er, und fügt dann bedauernd hinzu: "Aber es gibt jetzt eine Menge Müll! Manchmal sieht man ihn verstreut auf den Straßen. Manchmal auch entlang der Bäche. Das müssen die Nebenwirkungen der Entwicklung sein."

Ähnliche Beobachtungen schilderten auch andere Vertreter der Stadt in einem kürzlich on World Vision und dem städtischen Umweltamt (CENRO) organisierten Forum zur Abfallwirtschaft. Auf dem Forum diskutierten sie darüber, wie sie das Müllproblem in ihren eigenen Bezirken angehen können. „Jeder für sich kann es nicht allein schaffen, deshalb setzen wir uns zusammen, um gemeinsam Lösungen zu finden“, erklärte Edwin Lumibao vom Umweltamt.

Offene Mülldeponie in Cotabato City
Jeden Tag werden 120 Tonnen Müll auf einer offenen Deponie abgeladen.

Jeden Tag werden in Cotabato City rund 120 Tonnen Müll gesammelt. Das entspricht etwa dem Gewicht von 3 bis 4 ausgewachsenen afrikanischen Elefanten, die täglich auf Müllwagen geladen werden. "Unsere Müllwagen fahren zweimal durch die Stadt: am frühen Morgen und am späten Nachmittag", erklärte Lumibao auf dem Forum. "Allerdings werfen die Leute ihren Müll manchmal weg, nachdem der Müllwagen da war, was zu üblem Geruch und einem unsauberen Stadtbild führt." Das Müllauto habe den Müll in seinem Bezirk überhaupt nicht abgeholt, protestierte ein anderer örtlicher Regierungsangestellter. "Also werfen wir den Müll in den Fluss oder verbrennen ihn in unseren Höfen.“

Unsortierter Müll landet auf ungeschützter Deponie 

In mehreren Flüssen, die das Stadtgebiet durchkreuzen, führt der Müll bereits zu Verstopfungen im Wasserlauf, die die Ausbreitung von Krankheiten begünstigen. Es reicht aber nicht aus, Lücken bei der Müllabfuhr zu füllen, um das Problem zu reduzieren. Denn bisher werfen die städtischen Müllwagen einen Großteil des Mülls auf eine offene, 1,5 Hektar große Deponie. Laut Gesetz müsste die Stadt eine umweltfreundliche Mülldeponie haben, denn offene Deponien können in der unter dem Meeresspiegel liegenden Stadt leicht zu Überschwemmungen führen. Die Biniruan-Mülldeponie liegt zudem nur wenige Minuten von Wohngebieten, Unternehmen und Schulen entfernt. Da die Regierung auf die Einhaltung des Gesetzes drängt, führt die Stadtverwaltung derzeit Gespräche mit der Regionalregierung über die Möglichkeit, einen anderen Standort für die Mülldeponie zu finden, nachdem sich die umliegenden Provinzen geweigert haben, sich mit Cotabato City für eine Mülldeponie zusammenzuschließen. 

Neues Projekt: Kreislaufwirtschaft als Vision

Logo: Funded by the European Union

Im Laufe der nächsten zwei Jahre wollen die Europäische Union und ihr Implementierungspartner World Vision der Stadt helfen, ein lokal passendes Modell der Kreislaufwirtschaft in ihre Pläne zu integrieren. In der Kreislaufwirtschaft geht es unter anderem darum, nicht organische Materialien wie Kunststoff so lange wie möglich zu verwenden. Gleichzeitig wird aber angestrebt, weniger Plastik in den Kreislauf zu bringen, da das Recycling aufwändig und an vielen Orten eben schwierig ist.

Mülltrennung, die eine Voraussetzung für das Recycling ist, wird laut einem Bericht einer  Untersuchungskommission in Cotabato City nur unzureichend umgesetzt. Von den 35 Recyclinganlagen in jedem Stadtbezirk, die für die Trennung von wiederverwertbaren Materialien genutzt werden sollten, würden nur 20 % korrekt genutzt. "Die meisten Menschen hier sind der Meinung, dass Mülltrennung sinnlos ist, weil ihr gesamter Müll auf der Müllhalde landen würde", berichtet Ailyn Bajade, World Vision-Mitarbeiterin in Cotabato City. Auch Projektleiter Renato Salas sieht in der Haltung der Bevölkerung, aber auch mancher Unternehmen, eine der größten Herausforderungen. "Wir müssen alle dazu bringen ihr Verhalten zu verändern, denn jeder einzelne in einer Gemeinschaft hat Verantwortung für eine vernünftige Abfallwirtschaft und den Schutz der Umwelt." 

Bei Dilbert werden die Realitäten des Recyclings gut sichtbar. Die Müllsortierung ist Handarbeit und vieles, was nicht verkauft werden kann, stapelt sich auf dem Gelände. Die Stadt hat zwar inzwischen auch ein Gerät zum Schreddern von Plastik, aber dessen Leistung ist laut Umweltamt nicht gut. Vor allem aber sind Unternehmen, die das geschredderte Plastik einschmelzen könnten, zu weit weg. Der Transport dorthin ist nach Dilberts Erfahrung zu teuer. Er hofft, dass die Stadt auch hierfür eine Lösung finden wird.

Neben Aufklärung durch vorhandene Organisationen unterstützt das von der EU geförderte neue Projekt daher auch die Verbesserung der Recyclinganlagen,  sowie Anreize für Müllsortierung und Investitionen in Alternativen zu Plastik-Verpackungen. 

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