Die Sonne brennt in diesen Tagen stechend heiß in Cox' Bazar, und in mehreren Lagern der Rohingya gibt es keine Bäume mehr, die Schatten spenden könnten. Es riecht zudem nach Asche und nach Verbranntem, seit am 22 März nachmittags ein Feuer ausbrach.
Das Feuer verbreitete sich durch starken Wind rasend schnell. Auf einer Fläche, die laut UN Women ungefähr der Größe von Darmstadt oder Regensburg entspricht, wurden rund 10.000 Unterkünfte von ca. 45.000 Menschen zerstört. Auch diejenigen, die jetzt nicht obdachlos sind, leiden unter den gewaltigen Schäden, denn es wurden auch Trinkwasser-Pumpen und Waschanlagen, Toiletten, Versorgungspunkte für Essen, eine Klinik, ein Markt und mehrere Lernzentren zerstört.
"Leicht war das Leben in den Lagern nie", räumt World Vision's Nothilfe-Leiter in Cox' Bazar, Fredrick Christopher ein. "Nach drei Jahren unermüdlicher humanitärer Hilfe gab es aber wenigstens eine Basisversorgung und Anzeichen der Hoffnung bzw. der Erholung von den Tragödien Flucht aus Myanmar." Nun seien aber alte Wunden neu aufgebrochen und viele Betroffene fühlten sich wie vom Unglück verfolgt.
"Ich bereitete gerade das Essen für den Mittag vor. Die Kinder spielten draußen vor dem Haus. Plötzlich riefen sie "Feuer! Feuer!", erzählt Anwara, (27), eine noch stillende Mutter, die das Feuer zunächst von weitem sah. "Ich dachte, es würde nicht so weit zu uns kommen. Aber in kürzester Zeit erreichten die Flammen unsere Unterkunft und wir rannten alle weg. In dem Chaos sah ich meine fünf Kinder plötzlich nicht mehr. Ich rannte wie verrückt auf der Straße herum und suchte nach ihnen. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass mein Haus abbrannte. Die ganze Nacht war ich wie eine Verrückte und habe laut nach ihnen geschrien. Mein Mann kam dazu und wir weinten bei der Suche, konnten aber bis zum Morgen keine Spur finden. Ich konnte nicht essen, bis ich meine Töchter und Söhne gefunden hatte. Ich dachte, sie seien gestorben."
Eltern gerettet - Kinder vermisst
Zia-ur, 32, Anwaras Ehemann, hatte zunächst versucht beim Löschen des Feuers zu helfen. Er sah aber schnell, dass es aussichtslos war. "Dann eilte ich zurück, um meine Familie und Kinder zu retten, aber sie waren nicht da", erzählt er. "Meine betagten Eltern waren noch da, sie konnten sich nicht bewegen. Ich brachte sie an einen sichereren Ort, aber ich konnte nicht von dort zurückkommen, während sich das Feuer ausbreitete. Wir hatten Angst, zu sterben. Gleichzeitig waren wir besorgt, ob wir unsere vermissten Kinder finden. Diese schreckliche Nacht schien kein Ende zu nehmen."
Wie berichtet wurde, starben einige Kinder tatsächlich, weil sie dem Feuer nicht entkamen. Andere werden noch vermisst.
Zur großen Erleichterung von Anwara und Zia-ur stellte sich am nächsten Morgen heraus, dass ihre Kinder neben dem Lager Zuflucht im Haus eines Bekannten gesucht hatten. Von ihrem eigenen Haus ist nur Asche übrig. Mit einer Plane hat sich die Familie etwas Schutz vor der Sonne und einen notdürftigen Schlafplatz geschaffen. Anwara hofft sehr, dass von den Hilfsorganisationen vor Ort schnell Hilfe kommt, denn "jetzt haben wir keine Kleidung, kein Essen, keinen Kochtopf, kein Geschirr, kein Bett und nicht einmal eine Kanne, um Wasser zu trinken."
Die Wirkung des Feuers war jenseits aller Vorstellung für die, die so etwas noch nicht erlebt hatten.
In Cox's Bazar leben auf sandigen Hügeln ca. 880.000 Rohingya, Angehörige einer muslimischen Minderheit, die 2017 aus Myanmar nach Bangladesch flüchteten. Es ist ihnen nicht erlaubt außerhalb der Lager zu siedeln und sie dürfen offiziell auch nicht arbeiten. In den Lagern sind die Menschen Immer wieder von Wirbelstürmen und Erdrutschen in der Monsunzeit bedroht, aktuell zudem von COVID-19. Durch den Brand hat sich ihre Situation noch weiter verschlechtert.