Fortsetzung folgt....
Ein Bericht von Eva Martin
Wir fahren mit Wolfgang Niedecken (nach dem Besuch in Gulu) in die Region westlich des Albert-Nils, um uns einem sehr aktuellen Thema zu widmen: der Auswirkungen von Bürgerkrieg und Stammeskonflikten im Südsudan. Seit 2014 sind über eine Million Menschen aus dem Südsudan in das Nachbarland Uganda geflüchtet, das seine Grenzen auch weiterhin offen hält. 65 Prozent der registrierten Flüchtlinge, also zwei von drei Personen, sind minderjährig! Hinter diesen nüchternen Zahlen steckt eine riesige Tragödie. Besonders in Gesprächen mit Teenagern, die jetzt selbst Eltern für jüngere Kinder sein müssen, bekommen wir eine Ahnung davon.
Die Stadt Arua hinter uns lassend, fahren wir an sauberen Dörfchen mit meist quadratischen Lehmziegel-Häusern vorbei, zuerst in Flüchtlingssiedlung Omugo und am nächsten Tag in die vor zwei Jahren entstandene Siedlung „Bidi Bidi“, die inzwischen mehr als 270.000 Bewohner hat. Wir erfahren, dass in diesen zwei Jahren viel geschehen ist und dass sich die meisten Südsudanesen darauf eingerichtet haben, hier länger oder auch für immer zu leben. Die ursprünglich überall sichtbaren weißen UN-Zelte sind inzwischen größtenteils Lehmhäuschen gewichen, und dazwischen sind kleine Gemüsegärten, Läden und Werkstätten entstanden. Schilder weisen den Weg zu Versorgungsstellen, Schulen und anderen Einrichtungen, die von Hilfsorganisationen wie World Vision betrieben werden.
Bei unserer Ankunft verladen Mitarbeiter von World Vision gerade große Töpfe mit frisch gekochtem Essen auf einen LKW, der die Runde zu neu angekommenen Familien und Einzelpersonen macht. Sehnsüchtig erwarten einige junge Manner diese Mahlzeit, die vor unseren Augen gerade aus langen Holzstangen ein Gerüst für ein Haus aufbauen. Sie mussten mit fast leeren Händen vor mordenden anderen Männern fliehen. Selbst versorgen können sich die meisten nicht in dieser Flüchtlingssiedlung, jedenfalls nicht sofort. So sind die Familien dankbar, für den Anfang mit Nahrungsmitteln und auch einer Grundausstattung an Hausrat und Werkzeugen versorgt zu werden. Natürlich vermissen sie trotzdem vieles, was sie zuhause hatten, aber in Sicherheit zu sein, sei das Wichtigste, hören wir von vielen.
Zwei Jungs sind plötzlich Brüder und Väter
Wir treffen den jungen Südsudanesen David. Er sitzt mit vier jüngeren Kindern und einem Jugendlichen auf einer Strohmatte unter den Bäumen im Camp und erzählt uns seine Geschichte. Er ist 20 Jahre alt und bereits seit fast einem Jahr in Uganda. Ein junger Mann, mit einer viel zu traurigen Vergangenheit und Geschichten im Gepäck, die wir uns kaum vorstellen mögen. Er erzählt, wie seine Eltern ermordet wurden und er mit der Schwester und deren Kindern floh. Männer wie er werden häufig zu einem Leben als Soldaten oder Rebellen gezwungen, doch genau das wollte David nicht. So machten sie sich auf, gemeinsam Richtung Uganda, doch leider wurde die Schwester auf der Flucht sehr krank und starb. Zurück blieben David und die 4 kleinen Kinder der Schwester, alle zwischen 6 und 12 Jahre alt. Für David war es eine Selbstverständlichkeit, seine Nichten und Neffen mit zu nehmen, auch wenn er selbst noch nicht richtig erwachsen ist. Über 2 Wochen waren sie zu Fuß unterwegs, bis sie nach Uganda kamen. Unterwegs ernährten sie sich von dem, was die Natur so bot. Wasser schöpften sie aus den Bächen, und sie nahmen nur mit, was sie am Leib tragen konnten.
Da die Familie noch sehr jung ist, haben sie eine Betreuerin von World Vision zur Seite, die regelmäßig nach ihnen schaut und sich zusätzlich kümmert. Die Kinder gehen alle im Camp in die Schule, doch David müsste aufgrund seines Alters natürlich in eine weiterführende Schule gehen, die allerdings zu weit entfernt liegt. Wolfgang fragt ihn nach seinem Zukunftswunsch. David erklärt uns, dass er sehr gerne Elektriker geworden wäre und im Südsudan bereits eine Ausbildung angefangen hatte. Leider kann er diese nun hier nicht weiterführen, da es im Camp nicht möglich ist und er nicht mobil ist, um an eine Ausbildungsstätte zu kommen. Mit der Hilfe von World Vision hat er einen kleinen Lebensmittelshop eröffnet, der direkt neben seiner Hütte steht. Er ist sehr stolz auf diesen eigenen Laden, den er uns mit Begeisterung zeigt und der tatsächlich das Nötigste an Lebensmitteln bietet. Mit dem Verkauf der Waren kann er zumindest für den Unterhalt sorgen und hat eine Beschäftigung. Die Zukunft ist ungewiss, er träumt davon wieder in die Heimat zurück zu kehren und eine eigene Familie zu gründen.
Werde Kindheitsretter und unterstütze Kinder wie David
In Uganda angekommen, wurden sie die ersten Tage im Reception Center (eine Art Erstaufnahme) von World Vision untergebracht. Dort lernte David den erst 17-jährigen Moses kennen, der ebenfalls als unbegleiteter Flüchtling im Lager angekommen war. Auch Moses verlor im Krieg beide Eltern, ein Schicksal, das die meisten der Jugendlichen im Camp teilen. David nahm den jüngeren Moses mit in seine Familie auf, für ihn ist er nun wie ein jüngerer Bruder. Zusammen leben die beiden mit den vier Kindern der verstorbenen Schwester nun in einer Hütte.
Besuch eines Child friendly space
Wir besuchen eines der 25 „child friendly spaces“, die World Vision im Camp errichtet hat. Es handelt sich dabei um spezielle Einrichtungen, die in Deutschland an einen großen Kindergarten/Vorschule/ Spielplatz erinnern würden. Die Eltern können ihre Kinder dort tagsüber betreuen lassen, sie erfahren eine vorschulische Bildung mit viel Sport, Spiel, Tanz und Musik – es gibt Malkurse und die Kinder dürfen einfach Kind sein und einen Hauch der Unbeschwertheit erfahren, die wir uns für jedes Kind auf der Welt wünschen würden.
Es ist laut und fröhlich auf dem Gelände, überall wuseln Kinder. Manche spielen in Trikots Fußball, andere bilden eine Tanzgruppe und singen. Im Gebäude findet ein Vorschulunterreicht statt und in einer Ecke draussen wird im Schatten gemalt. Nichts deutet in diesem Moment darauf hin, dass diese Kinder schon Furchtbares hinter sich haben, dass sie teilweise ihre Angehörigen verloren haben und selbst Angst um ihr Leben hatten. Man freut sich über uns, schließlich sind wir fremd und sehen anders aus, die Neugierde ist riesig.
Natürlich versucht man hier auch, die Kinder ein Stück weit psychologisch zu betreuen. Wir nehmen an einem Malkurs teil, an dem die Kinder auch ihr Erlebtes aufmalen sollen und wiederum auch ihre Träume zeichnen können, die sie für die Zukunft haben. Fußballer wollen viele werden, oder Pilot. Die Mädchen träumen von dem Beruf Krankenschwester – eigentlich ist es wie in Deutschland auch, die Unterschiede sind gar nicht groß. Wolfgang Niedecken, der studierter Maler ist, freut sich besonders über diese kreativen Kurse und setzt sich zu den Kindern und malt mit ihnen.
Ein Malkurs als Ventil
Im letzten Jahr fand hier in diesem Camp ein großer Workshop statt, bei dem Künstler aus verschiedenen Ländern zusammen mit Kindern und Jugendlichen eigene Kunstwerke kreiert haben. Diese Werke findet man auch noch auf dem riesigen Areal des Camps.
Essen für Alle - Eine logistische Herausforderung
Besonders faszinierend war die monatliche Essensverteilung im Camp, die wir auch erleben durften. Wolfgang ist begeistert von der Logistik, die dafür benötigt wird. Stella ist die World Vision Mitarbeiterin, die für die komplette Essensverteilung im Lager zuständig ist. An 4 verschiedenen Standorten bekommen die Menschen 5 Tage die Woche die nötigen Lebensmittel zugeteilt. Jede Person darf sich alle 3 Wochen seine Ration Mais, Mehl, Reis, Korn, Öl, Mineralien und Soja abholen. In Warteschlangen werden die Menschen registriert, bekommen eine Art „Bon“ und müssen dann darauf warten, bis sie dran sind. Es wird genau festgehalten, dass auch jeder seine Ration bekommt, die für 3 Wochen reicht. Außerdem wird aus jeder Community ein Bewohner bestimmt, der Bescheid sagen muss, wenn z.B. einer der Flüchtlinge krank ist und fehlt. Dann bekommt diese Person seine Nahrung auch gebracht. World Vision arbeitet zusammen mit dem World Food Program, einem unserer größten Partner gerade in Katastrophen und Flüchtlingsgebieten.
Wolfgang Niedecken konnte an diesen zwei Tagen einen Einblick in die sehr vielseitige Arbeit in einem Flüchtlingslager erfahren. Die Arbeit von World Vision umfasst neben der Nahrungsmittelhilfe und dem Kinderschutz ebenfalls noch Wasser- und Sanitärversorgung und Maßnahmen zur Förderung des Lebensunterhalts.
Werde ein Kindheitsretter und hilf Kindern in Not