Syrien: "Ohne Schule werden Kinder Teil des Krieges"
Hussam Alheraky kam vor zwei Jahren aus Syrien über ein Flüchtlingslager in Jordanien nach Deutschland. Hier lebte bereits ein Teil seiner Familie. Er besucht ein Gymnasium in seiner neuen Heimatstadt Stuttgart. World-Vision-Botschafter und Schauspieler Liam Cunningham hatte Hussam in Jordanien bei einem Projektbesuch kennengelernt und war von seinem Bildungshunger begeistert. Er ist seitdem mit Hussam befreundet. Wir haben Hussam zur Bedeutung von Bildung für Flüchtlingskinder befragt.
WV: Was bedeutet Bildung für Kinder auf der Flucht?
Hussam: Bildung ist vielen Menschen wichtig, aber insbesondere für Flüchtlinge hat Bildung Vorrang. Denn Bildung ist die einzige Perspektive für sie. Arbeiten geht häufig noch nicht, denn viele Flüchtlinge sprechen kein Deutsch. Selbst wenn sie ein bisschen Deutsch sprechen – schreiben können sie es nicht. Also ist es nicht sinnvoll, sofort eine Arbeit aufzunehmen. Für mich ist Bildung sehr wichtig. Denn nur so schaffe ich mir einen guten Weg ins Leben. Das sehen auch viele andere Flüchtlinge so.
WV: Wie wichtig war dir der Unterricht im Flüchtlingslager in Jordanien?
Hussam: Sehr, sonst hätte ich echt noch mehr Lücken gehabt. Die habe ich sowieso und ich leide darunter auch immer noch.
WV: Der Krieg dauert schon sieben Jahre. Was glaubst du passiert mit Jugendlichen, die so viel Krieg und so wenig Schule erlebt haben?
Hussam: Das wirklich erschreckende ist ja, dass ihnen niemand hilft. Die Kinder und Jugendlichen werden so zu einem Teil des Krieges. Statt in die Schule zu gehen. Sie lernen NICHTS. Sieben Jahre Krieg und nicht ein Tag Schule.
WV: In Deutschland gehst du auf ein Gymnasium – wie kam es dazu?
Hussam: Ich wollte immer die beste Version meiner selbst sein. Es gibt viele Menschen, die doch sehr schlau sind, die sind mein Vorbild, deswegen habe ich mir diesen Weg ausgesucht damit ich der Welt zeige was ein Syrer ist. Wir wollen keine Belastung für die Deutschen sein, wir sind hier, um mit ihnen zu leben und zu lernen. Und um dem Krieg zu entkommen.
WV: Wie empfindest du den Schulunterricht in Deutschland?
Hussam: Ganz schwierig, und etwas kompliziert. Ich bin ja nicht der einzige, der das sagt. Das sagen ja selbst die Deutschen. Aber mit dem Einsatz moderner Medien hier in Deutschland, kann man den Unterricht besser gestalten, das hilft den Lehrern und den Schülern.
WV: Wenn du jemals nach Syrien zurückgehen solltest – was nimmst du dann als Erfahrung in Bezug auf Schulunterricht mit?
Hussam: Dass man viele Sprachen lernt, und Praxisarbeit ist ja auch ein Teil der Schule, und zwar der wichtigste.
Am 15. März 2018 jährt sich der Kriegsbeginn in Syrien zum siebten Mal. Für hunderttausende Kinder bedeutet dies, dass sie fast ihre gesamte Kindheit im Krieg verbracht haben. Wir müssen jetzt handeln – sonst geht auch der Rest ihrer Kindheit unwiederbringlich verloren. Mit einer Petition für mehr Bildung für Kinder auf der Flucht und einer Live-Aktion mitten im Zentrum von Berlin, die auch Hussam vor Ort unterstützen wird, sollen noch mehr Menschen erreicht werden, die diesen Kindern helfen können.