Alice aus dem Tschad nutzt den Moringa-Baum wie eine Apotheke

Die Apotheke im Garten

Mit dem Moringa-Baum stärken Frauen im Tschad die Gesundheit ihrer Familien
Autor: IrisManner  | 
4. Januar 2018
Autor: IrisManner
Moringa-Frauen-Vereinigung im World Vision-Projekt Bailli im Tschad

Alice ist zum Gespräch in die Beratungsstation für gesunde Ernährung ihres Dorfes in Moulkou gekommen. Sie sitzt ruhig neben anderen Frauen und Männern, sieht aus wie jede andere Landfrau der Gegend: dünne, schwarze Haut, die lange Stunden der Sonne bei 40 Grad Celsius ausgesetzt war; Anzeichen von Müdigkeit im Gesicht, die sicherlich auf die harte Handarbeit in den Farmen und eine lange Liste von täglich früh beginnenden Hausarbeiten zurückzuführen sind.

Gleichzeitig schaut Alice respektvoll auf andere, die darauf warten, das Wort zu erhalten. Als sie an die Reihe kommt zu sprechen, stellt sie sich aber mit sicherer Stimme vor: "Ich bin Alice Djoumanda, Präsidentin des Ernährungsausschusses; Verbindungsbeamtin unserer Kommune, Schatzmeisterin der Moringa-Frauen-Vereinigung, Generalsekretärin des Jugend-Freizeitzentrums und aktives Mitglied in der Kirche, wo ich Näh- und Zeichenunterricht für junge Mädchen betreue."

Während der anschließenden Diskussion zeigt Alice den Teilnehmern die Richtung auf, in die sie nachdenken und sprechen sollen, gibt ihnen aber Raum, sich selbst auszudrücken und mit der Gruppe zu interagieren. So sehr sie auch äußerlich wie jede andere Frau aussieht: Alice zeigt eine innere Stärke mit einer klaren Vorstellung davon, was getan werden muss und was sie erreichen will. 

Moringa -Apotheke im Garten - Alice

2012 erlebten die Dorfbewohner eine dramatische Situation. Ein Damm brach und verursachte Überschwemmungen. Das Wasser vernichtete die Ernten, zerstörte Getreidespeicher und Tierfutter und beschädigte die aus Lehm gebauten Häuser. Viele Menschen wurden obdachlos, hatten nicht mehr genug zu essen und die Kinder wurden krank. Ohnmächtig sah das Dorf die Ergebnisse harter Arbeit vernichtet. 

Mehrere Mütter aus dem Dorf entschlossen sich jedoch etwas zu tun, als sie ihre Kinder leiden sahen. Alice und ihre Freundinnen trafen sich einige Kilometer entfernt im Krankenhaus der Stadt, um zu verstehen, warum ihre Kinder so krank waren und warum ihre traditionelle Medizin ihren Gesundheitszustand nicht änderte. Die Frauen erfuhren, dass das Hauptproblem die mangelhafte Ernährung war. Sie beschlossen, sich das Wissen anzueignen, das ihnen helfen würde, die Krankheiten der Kinder zu behandeln und ihre Gesundheit zu stärken.

Das aktuelle trockene Flussbett in Bailli
Dorf in Bailli im Tschad

Alice gehörte zu den ersten, die sich als Ernährungsberaterin und Erste-Hilfe-Mitarbeiterin ausbilden ließen. Während des von World Vision in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszentrum organisierten Lehrgangs entdeckten Alice und ihre Freundinnen die wunderbaren Eigenschaften des Moringa-Baumes, von dem man fast alle Bestandteile nutzen kann. Daraufhin begannen sie, Moringa im ganzen Dorf zu pflanzen. Die Frauen gründeten auch einen Verein, in dem heute 81 Frauen gemeinsam Moringa verarbeiten und Krankheiten behandeln.

„Moringa ist eine gute Ionenergänzung für schwangere und stillende Frauen", erklärt Alice. "Es gibt alten Menschen Kraft; es stärkt Kinder, die an Unterernährung leiden, und es eignet sich hervorragend zum Kochen einer Mahlzeit." 

Mitstreiterin Sylvie Djimadoumbe berichtet von eigenen Heilerfahrungen: "Früher war ich oft krank. Ich war die meiste Zeit müde und meine Haut sah sehr trocken aus. Seitdem ich angefangen habe, Moringaöl zu verwenden, das von einer Frau in der Vereinigung hergestellt wird, sieht meine Haut gut aus, ich habe aufgehört, müde zu sein, und ich habe guten Appetit, da ich auch das Öl trinke und die trockenen Blätter esse."
 

 

Moringa-Blätter
Moringa-Pulver
Wenn man einmal einen Moringa-Baum auf seinem Land hat, hat man eine Apotheke", erklärt Alice. „Das wussten wir vor einigen Jahren noch nicht. Das Training öffnete uns die Augen für eine wunderbare Pflanze, von der jeder profitieren kann.
Alice Djoumanda

Für Alice war es ganz wichtig, dass die ganze Gemeinschaft von dieser Entdeckung profitieren kann. „Wir erhielten nach unserem Lehrgang einige Moringa-Samen, aber sie reichten nicht aus, um alle Bedürfnisse des Dorfes zu decken. Wir haben deshalb bis zu 15 km von unserem Dorf entfernt nach Moringa-Bäumen gesucht und Setzlinge gefunden, die wir im Dorf anpflanzen konnten, um allen Familien den Zugang zu dieser Heilpflanze zu erleichtern. Ich habe es meinen eigenen Kindern gegeben, als sie sich krank fühlten, und sie fingen an, sich besser zu fühlen. Ich habe es selbst getrunken, als ich sehr erschöpft war, und es half mir, zur Kräften zu kommen. Seitdem ermutige ich Frauen dazu die Blätter und Samen des Baumes zu nutzen."

Moringa-Produkte bringen Einkommen

Rosali Bedago, ebenfalls Mitglied in der Vereinigung, bringt Moringa-Produkte auch außerhalb des Dorfes unter die Leute. Das bringt ihr sogar mehr ein als andere Geschäfte. "Früher habe ich viele kleine Dinge auf dem Markt verkauft: Zwiebeln, Mais, Tomaten... jedes bisschen, das ich in der Woche finden konnte. Heute verdiene ich allein mit meiner Produktion von Moringa viel mehr und ich verbringe weniger Zeit damit, nach Artikeln zu suchen, die ich verkaufen kann. Außerdem esse ich Moringa zu Hause mit meiner Familie und wir alle mögen es."

Apotheke im Vorgarten: Rosalie Bedago nutzte mit Töchtern ihren Moringa--Garten

Die Beratungsstation für Ernährung, die vom staatlichen Gesundheitszentrum in Zusammenarbeit mit ausgebildeten Müttern betrieben wird, hat dazu beigetragen, eine große Zahl unterernährter Kinder gesund zu machen. Alice ist stolz darauf, dort mitzuarbeiten.  „Vom ersten Tag an habe ich mich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Ernährungsstation gut funktioniert. Ich beginne in den Familien mit der Aufklärung und fordere sie auf, ihre Kinder zum Gesundheitszentrum zu bringen. Ich informiere sie über die heilenden Eigenschaften von Moringa und wie man es in einer Soße, im Tee, einer Suppe, im Brei usw. verwendet.“

das von World Vision unterstütze Ernährungszentrum im Dorf Moulkou

Als Mutter von sieben Kindern hat die 43-Jährige eigentlich genug damit zu tun, ihre eigene Familie zu versorgen. Sie bekommt auch kein Gehalt für ihre verschiedenen Ämter, aber sie betrachtet das Engagement für andere auch als Teil eines erfüllten Lebens.
 
„Ich unterstütze Frauen, Jugendliche und Kinder in meiner Gemeinschaft, weil ich glaube, dass es jemand tun muss. Es ist gut, wenn Organisationen Programme initiieren, und es ist die Aufgabe der Mitglieder der Gemeinschaft, die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen zu gewährleisten. Es liegt in unserer Verantwortung, die Arbeit zu übernehmen und uns gut um unsere Kinder kümmern. Meine Vision ist es, dass alle Dörfer viele Moringa-Gärten haben, die ihre Gesundheit kostenlos stärken. Jedes Kind sollte einen Moringa-Baum haben."
 

Apotheke im Vorgarten - Alice mit zwei Söhnen

Patenschaftsprogramm stärkt Beziehungen


Durch ihr Engagement, aber auch durch eine bessondere persönliche Erfahrung hat Alice gute Einblicke in die Zusammenhänge zu den Kinderpatenschaften. „Ich weiß, wie gut das Patenschaftsprogramm ist, weil es uns hilft, Schulen, sauberes Wasser sowie ein Jugendzentrum und ein Ernährungszentrum zu haben“, sagt Alice.  „Das Patenschaftsprogramm hat auch dazu beigetragen, die Beziehung zwischen Frauen zu stärken. Wir tauschen Erfahrungen aus, wir beraten uns gegenseitig und wir lernen gute Praktiken, insbesondere in Bezug auf die Gesundheit von Kindern."

Als sie einen Großteil der Familien-Ersparnisse für eine Operation ihres Ehemanns einsetzen musste, half ihr überraschend eine Sonderspende. Die Patin eines ihrer Kinder hatte Geld geschickt und damit konnte Alice dann die Schulgebühren für ihre Kinder bezahlen. "Zu diesem Zeitpunkt Hilfe von einem Paten in Deutschland zu erhalten, hat meinen Glauben an Gott gestärkt. Es ist ein lebendiges Zeugnis, dass Gott mich hört und auf die Bedürfnisse meiner Kinder eingeht. Ich hatte Patenschaften nicht von diesem Standpunkt aus gesehen, aber jetzt bedeuten sie für mich auch, dass Gott treu ist", schließt Alice.