Musik, Kunst und Gemeinschaft für syrische Flüchtlinge
Helfer der Ankunft für junge Flüchtlinge in der Türkei
Nach einer Flucht sollte man irgendwo ankommen, aber dazu muss man viele Barrieren überwinden. Diese Erfahrungen machen Lamia und Maila aus Syrien gerade in der Türkei. Deshalb gehen sie so gerne in das Gemeinschaftshaus, das ihnen dabei hilft neue Kontakte zu knüpfen und aktiv-kreativ ihre Fähigkeiten zu erweitern. Machen Sie mit uns einen Rundgang durch diesen wunderbaren Ort.
Das dreistöckige ältere Haus mit schönem Innenhof liegt mitten in der Altstadt von Sanli Urfa. Die meist schlicht „Urfa” genannte Großstadt im Nordosten der Türkei ist ein bekannter Wallfahrtsort für Muslime, in dem nach ihrer Auffassung Abraham geboren wurde. Heute ist Urfa auch ein bedeutender Zufluchtsort für viele Menschen, die vor dem fortdauernden Krieg fliehen. Die Grenze zu Syrien ist nur etwa 40 Kilometer entfernt. Obwohl bereits vor dem Krieg viele Kurden und Araber in der Stadt gelebt haben, ist das Zusammenleben nicht ohne Spannungen.
Die türkische Organisation IMPR Humanitarian, mit der World Vision seit rund einem Jahr zusammen arbeitet, leistet Aufklärungsarbeit, bietet Rechtsberatung für Geflüchtete an und hat auch das Gemeinschaftshaus in Sanli Urfa eingerichtet. Es dient als Anlaufpunkt für verschiedene Hilfsangebote an Flüchtlinge und wirkt zugleich integrierend. Gemeinsam mit den Mitarbeitern engagieren sich dort viele Ehrenamtliche, sowohl Türken als auch junge Syrer, um das Haus mit Leben zu füllen. Einen guten Eindruck davon gibt dieses Video.
Alltagssorgen loslassen und Neues probieren – beides im Konzept der Hilfe
Die ganze Woche über herrscht ein reges Kommen und Gehen, weil das Angebot des Gemeinschaftshauses – auch dank Spenden aus Deutschland – vielfältig ist. Türkisch- und Englisch-Sprachkurse sind zum Beispiel viel nachgefragt. Sie können Türen zu Arbeits -und Ausbildungsmöglichkeiten öffnen, sind auch staatlich anerkannt.
Im Computer-Raum wird der Umgang mit Programmen geübt und im Internet recherchiert, aber natürlich auch viel in die Welt kommuniziert. In einem weiteren Raum treffen sich Frauen zum Nähen oder Sticken. Das hat nicht nur praktischen Nutzen. „Wir beobachten, dass sich die oftmals gestressten Mütter zum Beispiel bei solchen Handarbeiten gut entspannen und miteinander reden können”, erklärt Viktoria Schmitt, die die Syrien-Hilfe für World Vision Deutschland betreut. Unterdessen können jüngere Kinder spielen oder Hausaufgaben machen.
Lamias Favoriten findet man auf der dritten Etage: den Kunstraum. Hier hat sie schon viele Stunden beim Malen und auch im Fotografiekurs verbracht. „Ich fühle mich vollkommen wohl, wenn ich male und kann dabei auch am besten meine Gefühle ausdrücken”, erzählt sie unserer Mitarbeiterin. Einige dieser Gefühle kann man sehr gut verstehen, wenn man ihr zuhört.
Träume für eine Zukunft ohne Krieg kommen in der Kunst zum Ausdruck
Als Lamia vor gut 18 Monaten mit ihrer Familie in Urfa ankam, hatte sie schon eine lange Odysee durch Syrien hinter sich. Aus dem Heimatort Deeralzor floh die Familie vor dem Krieg zuerst aufs Land und lebte danach rund ein Jahr in der Stadt Rakka. Diese wurde jedoch vom IS eingenommen – derzeit gibt es dort heftige Gefechte mit Regierungstruppen. „Gott sei Dank haben wir alle überlebt”, bestätigt Lamia auf Nachfrage.
In der Türkei angekommen, sah Lamia auch ihre Hoffnung auf einen Schulabschluss platzen. Sie wurde an der höheren Schule nicht aufgenommen, sie nicht genügend türkisch sprach. Sie versuchte es trotzdem mit der Abschlussprüfung, aber ohne den nötigen Unterricht hatte sie keinen Erfolg. Deshalb belegt sie im Gemeinschaftshaus so viele Kurse wie möglich, einschließlich Englisch, Storytelling. Fotografie und Malerei.
Auf einem ihrer vielen Bilder sieht man einen weinenden Jungen vor einem Haufen Trümmern. „Mit diesem Bild zeige ich das Töten und Zerstören im Krieg in Syrien, aber auch das Leiden der Kinder – das verletzt mich nämlich besonders. Der Junge auf dem Bild steht für alle Kinder in Syrien, die nicht mehr spielen und ein normales Leben leben können.”
In einer Reihe ausgestellter Fotografien, die Teilnehmer eines Kurses gemacht haben, sehen wir die Aufnahme einer Hand, die sich in den Himmel reckt. Malia, erzählt uns, was sie dazu inspiriert hat, dieses Foto zu machen. „Ich mag Träume lieber als die Realität”, sagt sie. Und wovon träumst du? „Von vielen Dingen, zum Beispiel von einer guten Ausbildung und von einem besseren Land – hier komme ich nicht weiter.” Sie will Ärztin werden.